Do., 14. Sept.
|Synagoge Rykestraße
Abschlusskonzert der 36. Jüdischen Kulturtage Berlin
Klassikkonzert, Uraufführung Arnold Schönberg/Guy Braunstein: Die Nacht wird immer verklärter
Zeit & Ort
14. Sept. 2023, 20:00
Synagoge Rykestraße, Rykestraße 53, 10405 Berlin, Deutschland
Über die Veranstaltung
Die 36. Jüdischen Kulturtage klingen mit einer Uraufführung aus: Der Violinist, Dirigent und Komponist Guy Braunstein hat Arnold Schönbergs Streichsextett „Verklärte Nacht“ (1899/1902) bearbeitet und mit „Die Nacht wird immer verklärter“ eine Fassung für Orchester und zwei Stimmen eingerichtet. Braunstein wird bei der Weltpremiere selbst am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB) stehen. Als Solisten fungieren die schwedische Sopranistin Sofie Asplund und der dänische Tenor Peter Lodahl.
Die Bearbeitung stellt eine Herzensangelegenheit dar
Einst sprach Braunstein mit Peter Lodahl in Kopenhagen über „Die verklärte Nacht“. Der Sänger meinte dabei halb im Scherz, dass er es bedauere, kein Streichinstrument zu spielen, da er das Werk ebenfalls schätze. Braunstein erwiderte, dass er Lodahl eine Fassung auf den Leib schreiben werde. „Beim Spielen des Sextetts habe ich die Stimmen stets vor meinem inneren Ohr gehabt. Deswegen war es für mich klar, dass ich irgendwann diese Fassung schreiben muss“, sagt Braunstein, für den Schönbergs Werk eine persönliche Bedeutung hat: „Ich habe das Werk das erste Mal im Alter von zwölf Jahren gespielt. In Israel hat Kammermusik einen deutlich größeren Stellenwert als hierzulande“, betont der Musiker, der bereits im Alter von 21 Jahren das erste Mal mit den Berliner Philharmonikern spielte und im Jahr 2000 zu deren 1. Konzertmeister ernannt wurde. Im Jahr 2013 gab er die Position auf, um sich stärker auf seine Solokarriere zu fokussieren. Neben internationalen Recitals engagierte sich Braunstein u.a. in Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra.
Hintergrund des Richard-Dehmel-Gedichts
Schönbergs Programmmusik basiert auf dem gleichnamigen Gedicht von Richard Dehmel. Darin schildert während eines nächtlichen Spaziergangs eine junge Frau ihrem Partner, dass sie von jemand anders schwanger sei. Der Mann reagiert verständnisvoll und verspricht, das Kind anzunehmen. Die Partitur von „Die Nacht wird immer verklärter“ sieht jedoch ein längeres Libretto vor als die fünf Strophen des Gedichts. Braunstein beauftragte damit den Lyriker und Pianisten Daniel Arkadij Gerzenberg, der beim autobiografischen Hintergrund des Gedichts ansetzte. Als der Dichter Richard Dehmel und die ehemalige Stefan-George-Muse und Frauenrechtlerin Ida Auerbach 1895 kennenlernte und die beiden sich ineinander verliebten, erwartete sie von ihrem Mann Leopold Auerbach ein Kind. Richard und Ida verließen ihre jeweiligen Ehepartner, heirateten 1901 und avancierten später zu einem ikonischen Paar – bis zum Ersten Weltkrieg, der einen enormen Einschnitt bedeutete: 1917 fiel der einzige Sohn. Richard Dehmel, der sich trotz seines fortgeschrittenen Alters freiwillig an die Front gemeldet hatte, starb 1920 an den Folgen einer Kriegsverletzung.
Das Libretto montiert Motive des Gedichts mit biografischen Elementen
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Ida Dehmel als Jüdin verfolgt. Trotz der sukzessiven Entrechtung stellte die Emigration für sie keine Alternative dar. Vereinsamt und gesundheitlich angeschlagen beging sie kurz vor der androhenden Deportation am 29. September 1942 Suizid. Das Libretto setzt Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht” zu den späteren Ereignissen in Beziehung: In der Nacht vor ihrem Suizid findet ein Zwiegespräch zwischen Ida Dehmel und Richard Dehmel statt, der aus dem Jenseits antwortet. „Sie spricht zu ihrem Mann, der bereits vorausgegangen ist, und er ruft sie zu sich “, sagt Daniel Arkadij Gerzenberg. Das Besondere am Libretto ist, dass der Lyriker Ida und Richard Dehmel basierend auf veröffentlichten Gedichten, Briefen und Tagebucheinträgen miteinander sprechen lässt und einen authentischen Sprachduktus erzeugen konnte. Das berührende Werk verschränkt somit das im Gedicht formulierte Plädoyer für eine bedingungslose Liebe und Sextett mit den Auswirkungen des nationalsozialistischen Regimes, die auch Arnold Schönberg zu spüren bekam. Er musste 1933 emigrieren.
Der Abschlussabend der 36. Jüdischen Kulturtage Berlin beginnt mit „The Lark Ascending“ (1914) von Ralph Vaughan Williams. Guy Braunstein spielt das ursprünglich für Violine und kleine Orchester geschriebene Stück solo. Ähnlich wie bei der „Verklärten Nacht“ basiert die Partitur auf der Vertonung von Versen. Den englischen Komponisten inspirierte das gleichnamige Gedicht des britischen Lyrikers George Meredith. Braunstein hat die Fassung gemeinsam mit der Bearbeitung von Beatles-Songs eingespielt. Die CD erscheint Mitte September 2023.
Nach der Pause spielt das Rundfunk-Sinfonieorchester Antonín Dvořák 1893 uraufgeführte 9. Sinfonie “Aus der neuen Welt” – eine der bekanntesten Werke des tschechischen Komponisten.
Kurz-Biografien der beteiligten Künstler
Sofie Asplund
Die schwedische Sopranistin wirkte nach Beendigung ihres Studiums als Solistin an der Oper in Göteborg. Dort war sie von der Kritik umjubelt unter anderem als Susanna in Mozarts „Le Nozze di Figaro“ und als Gretel in Humperdincks „Hänsel und Gretel“ zu erleben. 2018 wurde Sofie Asplund mit dem damals neu ins Leben gerufenen Schymberg Award für skandinavische Opernsolisten ausgezeichnet. Das Repertoire der 37-Jährigen reicht vom Barock bis in die Moderne. Darüber hinaus verkörperte sie Musical-Rollen wie Maria in der „West Side Story“ und Christine in „Das Phantom der Oper“. Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage gastiert sie erstmalig in Berlin.
Peter Lodahl
Dem dänischen Tenor ist die Stadt bestens vertraut, schließlich gehörte er zum Ensemble der Komischen Oper, wo er beispielsweise als Tamino in Hans Neuenfels‘ Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ zu erleben war. 2007 wurde er vom renommierten Fachmagazin „Opernwelt“ zum Künstler des Jahres nominiert. Im Anschluss an das Abschlusskonzert der Jüdischen Kulturtage Berlin singt er u.a. an der Nationaloper im norwegischen Bergen und im Brucknerhaus in Linz.
Daniel Arkadi Gerzenberg
Der gebürtige Hamburger studierte Liedbegleitung bei Wolfram Rieger an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Anton gründete er das Duo Gerzenberg, das beispielsweise mit Martha Argerich konzertierte.
Guy Braunstein
Der israelische Musiker und Dirigent erlernte das Spielen der Violine im Alter von sieben Jahren. Guy Braunstein hatte von 2003 bis 2007 eine Professur an der Berliner Universität der Künste inne. Der 52-Jährige spielt auf einer Geige, die 1679 von Francesco Ruggieri gebaut wurde.
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB)
Die Wurzeln des Klangkörpers reichen zurück bis ins Jahr 1923. Zahlreiche Komponisten dirigierten Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, unter ihnen Paul Hindemith, Sergej Prokofjew und Igor Strawinsky. Seit 2017 wirkt Wladimir Jurowski als Chefdirigent.
Einlass: 18:00 Uhr
Beginn: 20:00 Uhr
Tickets ab: 31,35 €
Karten gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen,
über www.eventim.de oder unter +49 (0) 1806 570070
Ermäßigungen (Nachweis erforderlich):
Schüler, Studenten, Azubis 20%, Begleitung für Schwerbehinderte 100%.